Mit quergestreiftem schwarz-grau-weißem Pullover und Jeans saß Daniel Decker-Törö vor dem dreiköpfigen Sportgericht um Vorsitz Michael Zahorodnyj, blickte immer wieder auf seinen Notizzettel und trug vor, was da am 22. September in Unna zwischen den zweiten Mannschaften von RW Unna und SuS Oberaden vorgefallen war. Der großgewachsene Mann saß vorne in der ersten Reihe und erklärte ganz sachlich und ruhig, warum er welche Karte gegeben hat und warum er das Spiel in der vierten Minute der Nachspielzeit abbrach.
Schon nach 18 Minuten zeigte er Christoph Gärtner die Rote Karte. „Man merkte, dass einige Spieler Schaum vor dem Mund hatten. Sie waren sehr aggressiv unterwegs“, sagte Decker-Törö, der dann gesehen haben wollte, wie Gärtner „absichtlich“ und „mit voller Wucht vor das Schienbein seines Gegenspielers getreten“ habe. „Das war kein ballorientiertes Vergehen. Er hat bewusst mit hoher Intensität vor das Schienbein getreten“, sagte Decker-Törö.
Spieler soll Decker-Törö beleidigt haben
Er beschrieb die Notbremse, die zu Luca Opitz‘ Platzverweis vom SuS Oberaden führte (28.). Er erklärte, dass er eine Armbewegung als unsportlich wertete, die zu einer Ampelkarte führte. Und er erklärte auch, wie Oberadens Ramazan Bicakci in der Nachspielzeit „mit erhobener Faust“ auf ihn zugerannt sei, ihn bedrohte und als „dummes Arschloch“ beleidigt habe. Das war zunächst alles ganz schlüssig.
Doch am Ende der zweistündigen Verhandlung im Vereinsheim des TuS Germania Lohauserholz-Daberg in Hamm verkündete Zahorodnyj am Dienstagabend drei milde Urteile. Und gab damit auch das Signal, dass es nicht voll den Ausführungen des Schiedsrichters folgte, der schon öfter wegen seiner harten Entscheidungen in der Kritik stand - eine Niederlage für den Unparteiischen.

Das Sportbericht tagte am Dienstag (v.l.): Veit Demmig (VfL Mark), Veysel Cerci (TSC Hamm) und Michael Zahorodnyj (TuS Germania Lohauserholz-Daberg) fällten Urteile nach dem Spielabbruch durch Daniel Decker-Törö. © Marcel Schürmann
RW Unna hat nicht viel gesehen
Die Aussagen der Beteiligten waren völlig unterschiedlich: Im RWU-Lager wollte keiner so richtig viel gesehen haben - möglicherweise aus Angst, die Punkte bei einer Neuansetzung zu verlieren. Unnas Trainer Norman Koch und Co. waren dann doch sehr auf Schiedsrichter-Linie: „Wenn der Schiedsrichter meint, es ist eine Rote Karte, ist es eine Rote Karte.“ Auch Co-Trainer Jannis Hössel nannte die Karten „Schiedsrichterermessen“. Infrage stellen wollte sie kein Unnaer.
Doch viele Aktionen, die zu den Karten geführt hatten, waren bei Unnas Mannschaftsverantwortlichen dann nicht mehr sonderlich präsent, obwohl die Szenen erst neun Tage alt waren. Koch wollte sogar nicht einmal die erste Rote Karte gegen Oberadens Christoph Gärtner mitbekommen haben - wenig glaubwürdig.

Norman Koch konnte sich nicht mehr gut an Einzelheiten der Roten Karten erinnern. © Marcel Schürmann
Oberaden stellt die Pfiffe des Schiedsrichters in Frage
Der Tenor bei Oberaden war ein ganz anderer. „Es gab viele Aktionen, die komisch rüberkamen. Das Spiel war gar nicht normal. Es war vollkommen durcheinander und der Schiedsrichter hat komplett Unruhe reingebracht. Ich hätte nicht gedacht, dass er so kleinlich pfeift. Alle haben sich nur an den Kopf gefasst – und wussten nicht, was hier los ist“, sagte etwa Oberadens Kapitän Andreas Triller. Und Trainer Marco Wille bezeichnete die Partie als „faires Spiel, das kaum Auffälligkeiten und nichts Außergewöhnliches“ an sich gehabt habe.
Oberadens Abteilungsleiter Michael Kasch sagte nach der Beweisaufnahme: „Für mich schwer zu verstehen, warum genau dieses Spiel zu diesem Ergebnis führte – und nicht die Spiele davor, die eine andere Gemütslage hatten.“ Er gab Decker-Törö eine Mitschuld durch Fehlentscheidungen. Und er war nicht alleine.
Ulrich Ritter, Vorsitzender des Kreisjugendausschusses, erklärte: „Ich bin kein Schiedsrichter-Beobachter, aber aus meiner Sicht soll ein Schiedsrichter ein Spiel leiten und nicht entscheiden. Das kam mir zweifelhaft vor. Das Spiel war nicht übertrieben hart oder unfair. Schon nach einer Minute gab es eine Gelbe Karte.“

Ulrich Ritter sagte aus, dass die vielen Platzverweise nicht sein mussten. Im Hintergrund hört Daniel Decker-Törö aufmerksam zu. © Marcel Schürmann
„Wo andere verwarnen, gibt er eine Gelbe Karte. Wo andere Gelb geben, gibt er Rot“, erklärte er. Ab der 70. Minute sei es dann wieder hektisch geworden. „Jedes Foul wurde bestraft. Alles harte Entscheidungen. In den meisten Fällen wäre Gelb in Ordnung gewesen“, sagte Ritter aus.
Ulrich Ritter wundert sich über Entscheidungen
Ob er das Gefühl gehabt habe, dass Schiedsrichter Daniel Decker-Törö eine Mannschaft benachteiligt oder bevorzugt habe? „Ich hatte schon das Gefühl, dass er Spieler auf dem Kieker hatte“, antwortete Ritter. Schiri-Chef Thorsten Perschke wollte wissen, ob die Entscheidungen „weltfremd“ gewesen sein. Ein Nicken beim Zeugen. „Die einzige Karte, die man geben könnte, wäre die gegen Halilovic“, sagte Ritter noch.
Und so urteilte dann das Gericht nach einer 15-minütigen Beratungspause auch. Almir Halilovic, der in der Nachspielzeit Rot nach einem Foul sah, bekam eine vierwöchige Sperre aufgebrummt. Die anderen drei Rotsünder kamen mit einwöchigen Sperren davon, die bereits abgesessen sind. Zahorodnyj: „Sie können Sonntag wieder spielen.“ Dass er nach Beleidigungen, Notbremse und angeblich hartem Foulspiel „minderschwere Fälle“ anerkannte, war bemerkenswert. Was das für Decker-Törös Zukunft aussagt? Am 23. Oktober kommt der Schiedsrichterausschuss zusammen.
Die Spielwertung mit 2:0 für Unna war wenig überraschend, da Oberaden mit zu wenig Spielern auf dem Feld den Abbruch verursacht hatte. Da ließ die Spielordnung auch keinen Spielraum zu - obwohl beide Klubs sich mit einer Wertung von 4:4 einverstanden gezeigt hatten.
Sportler durch und durch, der auch für alle Sportarten außerhalb des Fußballs viel übrig hat. Von Hause aus Leichtathlet, mit einer Faszination für Extremsportarten, die er nie ausprobieren würde. Gebürtig aus Schwerte, hat volontiert in Werne, Selm, Münster und Dortmund.
