Deutschlands Wälder sterben. Spätestens seit Sommer 2018 ist dieses Thema in vieler Munde. Die Lage hat sich allerdings im Sommer dieses Jahres so zugespitzt, dass nun Maßnahmen ergriffen werden sollen.
Für die kommenden vier Jahre stellen Bund und Länder zusammen 800 Mio. Euro an Fördermitteln zur Verfügung. Damit sollen deutsche Wälder aufgeforstet und Totholz abgetragen werden. Dies erklärte die Landwirtschafts- und Forstministerin, Julia Klöckner, nach dem Waldgipfel am 25. September in Berlin. 547 Mio. Euro werden vom Bund kommen, die restlichen Mittel dafür sollen von den Ländern kommen.
Ernst der Lage erkannt
„800 Mio. Euro sind ein Entgegenkommen der Politik, das zeigt, der Ernst der Lage wurde erkannt, aber mehr auch nicht. Denn die Schäden können mit dieser Summe nicht abgedeckt werden“, sagt Försterin Manuela Ortenstein (39). Sie ist zuständige Försterin des Regionalverbandes Ruhr (RVR) in der Hohen Mark in Dorsten. Dort sterben ganze Waldstücke und sie könne dabei nur zusehen.
Die betroffenen Flächen seien mittlerweile so groß, dass zwei Maßnahmen gleichzeitig erfolgen. Denn es gibt ein Problem bei der Aufforstung: „Baumschulen können nicht genug Nachschub liefern, auch sie sind vom Wassermangel betroffen“, sagt Manuela Ortenstein. Nun setze man auf Aufforstung durch die neuen Bäumchen und auf Naturverjüngung. Das heißt, es werden gleichzeitig Ableger der Bäume im Wald genutzt.
Wildwuchswerbung
„Das ist zurzeit unsere langfristige Lösung, so ad hoc gibt es sonst nicht genügend Bäume“, sagt die 39-Jährige.

Zwischen den hohen vertrockneten Bäumen wachsen viele junge Ableger: hier eine kleine Buche. © Laura Schulz-Gahmen
Mit den Ablegern der Bäume in Wald kann allerdings noch anders verfahren werden, und das tun Manuela Ortenstein und die Forstbetriebswirte in der Hohen Mark auch: „Das nennt sich Wildlingswerbung. Wir entnehmen die kleinen Bäumchen von ihrem ursprünglichen Wuchsort und pflanzen sie auf nahegelegenen Freiflächen wieder ein“, erklärt die Försterin die Vorgehensweise.
Baumarten nach Bodenarten
Doch nicht jeder Baum ist in jedem Wald willkommen, weiß Manuela Ortenstein. „Je nach Bodenart gibt es unterschiedliche Bäume, die für den jeweiligen Boden infrage kommen“, erklärt sie. Jetzt sei es vor allem wichtig, sinnvolle Neuanpflanzungen zu planen.
Dazu müsse oft einfach ausprobiert werden, welche Bäume anpassungsfähig sind und man müsse sich gleichzeitig auf Informationen aus der Wissenschaft verlassen. Mehr bleibe Förstern einfach nicht übrig.
Sogar zähe Birken betroffen
Die Hohe Mark besteht aus einem Mischwald. Dieser wiederum besteht überwiegend aus Buchen, Eichen, Lerchen, Kiefern, Fichten und Birken. Letztere gelten allgemeinhin als zäh und äußerst wiederstandfähig. Doch selbst sie kränkeln aufgrund des extremen Wassermangels. „Aber es kann auch sein, dass die Birken mittlerweile an ausreichend Wasser gewöhnt sind und deshalb jetzt extrem auf Trockenheit reagieren“, erklärt Manuela Ortenstein.
Die Försterin der Hohen Mark hofft auf das „Survival of the fittest“. Das bedeutet: das Überleben des am besten Angepassten. „Bäumchen, die sich jetzt durchsetzen, sind vielleicht langfristig eine Alternative für die Zukunft“, so Ortenstein.
Personal ist knapp
Aber jetzt müsse erst einmal viel Totholz entfernt werden, bevor neu gepflanzt werden kann. Genügend Personal sei für die Entfernung und Neupflanzung nicht vorhanden, deshalb werden sie und die Forstwirte auf Unternehmen zurückgreifen müssen. Außerdem sei Zeit ein entscheidender Faktor bei der Pflanzung. Wie im Garten auch sei das Frühjahr der optimale Zeitpunkt, um neue Bäume zu pflanzen. Auch deshalb sei die Hilfe von Unternehmen unerlässlich.

So sieht Totholz aus. Diese Buche bleibt aber vorerst stehen, da sie andere Bäume vor Sturm schützt. © Laura Schulz-Gahmen
„Wenn junge Bäume nach März oder April gepflanzt werden, dann sitzt das Wasser meist schon zu tief im Boden. Die Wurzeln reichen nicht bis dort und junge Pflanzen sterben“, erklärt Manuela Ortenstein.
Durch das Zusammenspiel von den drei Extremsituationen (Stürme, Wassermangel und Borkenkäfer) im Wald, sei es nur noch möglich, Schadensbegrenzung zu betreiben. „Wir gucken über die nächsten Monate, wie der Abtransport und die Verwertung sinnvoll gemeistert werden können“, sagt die Försterin.
Borkenkäfer ist massives Problem im Wald
In diesem Jahr habe es vor allem an den Fichten viele Käfer gegeben. „Borkenkäfer“ ist lediglich ein Überbegriff für verschiedene Arten. Darunter gibt es den Kupferstecher und den Buchdrucker. Sie befallen mit Vorliebe Fichten. Weitere Unterarten befallen auch andere Bäume.
Doch nicht nur die Käfer an sich sind für die Bäume ein Problem. „Die Schädlinge tragen auf ihren Rücken den Ambrosia-Pilz mit sich herum, der wiederum befällt die Bäume. Das Holz weicht dadurch an den befallenen Stellen auf und macht es den Borkenkäfern noch einfacher, in die Bäume zu gelangen“, erklärt Manuela Ortenstein.
In diesem Jahr habe es teilweise zwei bis drei Millionen Käfer pro Baum gegeben. Bei solch einer hohen Anzahl von Borkenkäfern seien Bäume einfach chancenlos. Kommen dann noch Trockenheit und Stürme dazu, gebe es nichts mehr, was man für die Bäume tun könne. Die Fördermittel von Bund und Ländern seien eine Hilfe, aber die Probleme der Bäume seien damit nicht behoben. „Uns bleibt nur abzuwarten, in welche Richtung sich alles entwickelt“, sagt Manuela Ortenstein.
Laura Schulz-Gahmen, aus Werne, ist Volontärin bei Lensing Media. Vor ihrem Volontariat hat sie in Soest Agrarwirtschaft studiert, sich aber aufgrund ihrer Freude am Schreiben für eine Laufbahn im Journalismus entschieden. Ihr Lieblingsthema ist und bleibt natürlich: Landwirtschaft.